Mittwoch, 10. Februar 2010

Gespächsbedarf


Bediene ich meinen 'Neue Heimat'-Blog weiter, sollte ich ihn vielleicht besser umbenennen. Vielleicht in 'Neues aus der Fremde'. Das wäre immerhin sehr Schweizerisch, weil neutral. Favorisieren würde ich aber so etwas wie 'Der Schweizer und seine Fremdenfeindlichkeit'. Auch wenn man sich vor Verallgemeinerungen hüten sollte, so kommt es dem Kern der Wahrheit doch erheblich näher, wäre also ehrlich und nicht lange um den heißen Brei herum. Demnach sehr Deutsch. Oderch?

Abgesehen davon, dass ein geänderter Blog-Titel an der Sache selbst, nämlich dass wir zur Zeit in der Schweiz leben, nichts ändert, würde es der deutsch-schweizerischen Verständigung vermutlich keinen Vorschub leisten. Ein Umstand, welchen ich mittlerweile verschmerzen könnte. Doch würde ich ebenfalls riskieren, mir den Unbill meines lieben Mannes zuzuziehen, der mich schon seit geraumer Zeit bittet, mich meinem Gastland gegenüber und dessen einheimischen Bewohnern etwas versöhnlicher zu geben. Ich würde mich da ganz unnötig in etwas hineinsteigern. Ist das so? Möglich, denke ich. Möglich, dass ich mich habe aufwiegeln lassen durch die aberwitzig häufig aufgegriffene Deutschen-Thematik in der hiesigen Presse. Fast täglich schüttet man über uns kübelweise Vorwürfe und grobe Anschuldigungen aus. Das praktische Feindbild-Ding, wodurch man den eigenen Fehler und Unzulänglichkeiten besser unter den Teppich kehren kann. Wir sind die teutonischen Eindringlinge, die germanischen Großmäuler. Man nennt uns Gummihälse und wirft uns Vetternwirtschaft vor. Mal ehrlich, wer könnte da gelassen bleiben, einmal von jenen abgesehen, die in ihrem Büro-Elfenbeintürmen hocken, Englisch sprechen dürfen und den ganzen Tag weder ein Grüezi noch ein oderch? hören. Doch die Spitze aller mir bekannten Beleidigungen ist ein Taschenbüchlein (Schweizer stehen bekanntlich auf den Diminutiv) des Herrn Bruno Ziauddin 'Grüzi Gummihälse - Warum uns die Deutschen manchmal auf die Nerven gehen'. Pure Zeitverschwendung, das Schwert über dieser papiernen Abrechnung mit meiner Nationalität, der ich im übrigen unverschuldet angehöre, zu brechen. Doch soviel lässt sich sagen, wer in Kauf nehmen mag, nie wieder unvoreingenommen durch diese herrliche Alpenlandschaft zu wandern, dem ist die Lektüre sehr zu empfehlen. Wer Wert darauf legt, sich einen Rest an Offenheit und Sympathie den Eidgenossen gegenüber zu bewahren, dem sei ein guter Comic auf dem Klo eher empfohlen, als diese über 200 Seiten starke Hetzschrift.

Warum ich bei steigender Abneigung meinem Standort gegenüber den Titel meines Blogs nicht ändere, nicht meine Sachen packe und nicht über die Berge gen Küste fliehe? Alles wird - wie überall - heißer gekocht als es gegessen wird. Und etwas Pusten kann auch nicht schaden, wenn man sich eigentlich nur eines wünscht, nämlich etwas Toleranz. Kommunikation soll ja helfen, habe ich mir sagen lassen. Und so versuche ich ernsthaft, mich auf meine Schweizer Freunde (jaha, es gibt sie wirklich!) zu konzentrieren, die eben anders sind als ihre Landsleute und den Dingen ihre gute Seite abzugewinnen, in dem klaren Bewusstsein, dass die kleinmütige Haltung vieler Schweizer in mir ein tiefes Gefühl der inneren Abwehr auslöst und ich noch nie zuvor so stolz darauf war, aus einer Region zu stammen, in der die beiden harmlosen Buchstaben -C- und -H- einem nicht den Kehlkopf zu verletzen drohen.

P.S.: Das oben genannte Buch ist auf Anfrage einer großen Süddeutschen Tageszeitung entstanden. Wieso, fragt man sich, bezahlen wir auch noch dafür, dass man uns derart beschimpft? Eine Freundin von mir, übrigens eine Portugiesin, hat dazu folgende mir absolut einleuchtende Theorie aufgestellt: dem Süddeutschen Raum gehen die Facharbeiter und Akademiker langsam aus. Wer für seine Leistungen gut bezahlt werden will, lebt und arbeitet nämlich besser in der Schweiz. Und damit dieser Tendenz Einhalt geboten wird, beauftragen wir nun die Schweizer, ihr eigenes Land so mies wie irgend möglich zu machen, damit niemand mehr auf die Idee kommt, hüben wäre es schöner denn drüben. Nicht blöd! DAS ist die wirkungsvollste deutsch-schweizerische Verständigung, die ich kenne. Alle sind zufrieden; die Schweizer haben ihre Skipisten wieder für sich und die Deutschen glauben weiterhin, das Schwiizerdütsch sei nichts weiter als ein niedlicher Dialekt der Schwaben.