Mittwoch, 30. April 2008

Abfall-Trauma

Bei unseren regelmäßigen Treffen mit den Frauen der Google Mitarbeiter kommen viele Punkte immer wieder zur Sprache: Schwierigkeiten beim Spracherwerb, die Suche nach einem (englisch sprachigen) Arzt, die Nachbarn, Jobsuche oder die lieben Kleinen. Aber ein Thema steht ganz oben auf der Liste der Dinge, die alle am meisten Stress und Nerven kostet: das schweizer Müllsystem!

die wesentlichen Unterschiede (im Vergleich zur BRD) im Überblick:
- "Gelber Sack" gibt es nicht, dafür Sammelcontainer, neben Glas, für Metall/Blech
- ein Pfandsystem (auf Flaschen und Dosen) kennt die Schweiz gar nicht
- die Müllabfuhr wird nicht über die Bezahlung von Mülltonnen finanziert, hier zahlt man pro Mülltüte (halb leer wird daher kein Sack weg geschmissen!)
- Plastik wandert schlicht in den Hausmüll (Verpackungen kann man aber allerorts bereits im Geschäft los werden)
- Sperrmüll kann man 1x jährlich gratis am Recyclinghof entsorgen. Für Leute ohne Auto fahren regelmäßig Straßenbahnen durch die Quartiere, die einem unentgeldlich alles abnehmen. Ähnliches gilt für Sonderabfälle.
- Altpapier/Karton wird wie in Deutschland von der Haustür abgeholt. Jedoch separat. Besonders wichtig dabei ist das Erscheinungsbild. Normalerweise werden nur sauber gepackte, quadratische Pakete mitgenommen.

Unterm Strich ist das System noch etwas ausgefeilter. Formale Abweichungen werden unter keinen Umständen geduldet, was folgende Geschichte belegt...

Maria ist Finnin. Sie und ihr Mann kamen im Januar nach Zürich. Natürlich will kein Ausländer negativ dadurch auffallen, dass er seinen Müll an den falschen Orten entsorgt. Auch Maria nicht. Schließlich ist sie von Freunden und Bekannten ausreichend darauf hingewiesen worden, dass das hier gar nicht gut ankommt. Und so hat sie diverse Taschen und Tüten mit den unterschiedlichen Recyclingprodukten gewissenhaft gefüllt und brav sogar zum Recyclinghof geschleppt. Leider hat der vor einer viertel Stunde geschlossen. Glücklicherweise sind die meisten Sammelcontainer vor den Toren aufgestellt und so wird sie bis auf eine Papiertüte voll Altpapier alles ordnungsgemäß los. Diese eine Tüte wieder mit nach Hause zu nehmen, erscheint ihr übertrieben und sie hinterlässt, wohlwissend, dass dies nicht die feine englische Art ist, ihr Altpapier den Recycling-Mitarbeitern. "Den Kopf werden sie mir schon nicht abreißen", denkt sie und macht sich auf den Heimweg.

3 Tage später liegt im Briefkasten eine amtliche Aufforderung, sich unverzüglich auf der nächsten Polizeidienststelle zu melden. In großer Sorge und ohne zu ahnen, um was es sich handelt, tut sie umgehend wie ihr geheißen wurde. Die Beamten begegnen ihr wie einer Schwerverbrecherin, Ton und Verhalten - Maria spricht recht gut Deutsch - machen ihr schnell deutlich, die Lage ist ernst. Man legt ihr Beweisfotos von einer Papiertüte vor, die einsam vor dem Tor eines Industriehofes herum steht. Ob sie diese Tüte wiedererkenne? Ob sie zugebe, dass sie diese mutwillig dort zurück gelassen habe? Böses ahnend gesteht sie sofort. Die folgende Standpauke hat sich gewaschen, fast fürchtet sie um ihre Aufenthaltsgenehmigung. Sehr kleinlaut und gedemütigt entlässt man sie. Die Folgen: ein Eintrag ins polizeiliche Führungszeugnis und 300,- CHF Strafe seitens der Ordnungshüter. Später kommen noch einmal 108,- CHF "Bearbeitungsgebühren" seitens der Stadt hinzu. Woher man wusste, dass es Marias Tüte war? Unter dem Altpapier befand sich ein Briefumschlag mit ihrem Namen und ihrer Anschrift. Die Frage, ob die Beamten wirklich glauben, Maria hätte Namen und Adresse am "Tatort" hinterlassen, wenn sie auch nur geahnt hätte, um welch schwerwiegendes Vergehen es sich handelt, wird ignoriert. Gnade vor Recht walten zu lassen, ist nicht angesagt.

Irgendeinen Grund muss es ja haben, dass dieses Land so sensationell sauber ist. Oder?


(Silvester 07, brennender Müllcontainer)